Reblandschaft Pfyn-Finges

Grundsätze UND THESEN ZUM UMGANG  MIT DER "ÖKOLOGISCHEN INFRASTRUKTUR"

Auf der Grundlage der erfolgten Diskussionen und insbesondere aus dem im Rahmen des Projekts entwickelten Verständnisses zur ökologischen Infrastruktur können die folgenden Schlussfolgerungen (Thesen) und Fragestellungen abgeleitet werden:

Definition, Bedeutung und Einordnung der ökologischen Infrastruktur

Die ökologische Infrastruktur ist als flächendeckende Gesamtheit natürlicher, naturnaher und künstlich geschaffener Lebensräume und Strukturelemente in Natur- und Kulturlandschaften sowie im Siedlungsraum zu verstehen. Sie leistet einen wichtigen Beitrag an die gesamtlandschaftliche ökologische und wirtschaftliche Funktion (Leistung), ist ein wesentlicher Bestandteil der Landschaftsästhetik und Identitätsstiftung (Markenbildung lokale/regionaler Landschaftstypus) und trägt zur gesellschaftlichen Wohlfahrt (Naherholung, Standortfaktoren) bei.

 

Gesamtheitliches Landschaftsverständnis

Die Reduktion der ökologischen Infrastruktur auf punktuelle Kerngebiete mit hohen Naturwerten und funktionalen Verbindungen mittels linearer Vernetzungsgebieten kann den ökologischen und landschaftlichen Potenzialen und Defiziten sowie generellen vorherrschenden Problemstellungen der Schweiz nicht gerecht werden. Mit der Reduktion und Fokussierung auf räumlich isolierte Gebiete und Elemente, auf denen die Biodiversität konzentriert stattfinden soll, erfolgt eine Degradierung und Abwertung der übrigen Gebiete – im Wesentlichen betroffen die intensiv genutzte Kulturlandschaft – zu produktivem, ökologisch jedoch unbedeutendem Niemandsland. Doch genau in diesen Gebieten (durchschnittliches Kulturland), die einen beachtlichen Flächenanteil an der Gesamtlandschaft aufweisen, liegt ein hohes ökologisches Potenzial sowie der wohl grösste und wirksamste Hebel für die ökologische Infrastruktur, indem auf die Landnutzung entsprechend Einfluss genommen wird.

 

Angepasste Landnutzung

Der Aufbau sowie die Entwicklung und die Aufwertung einer wirkungsvollen und funktional vernetzten ökologischen Infrastruktur kann nur mittels eines gesamtheitlichen, flächigen landschaftlichen Ansatzes erfolgen. Die entsprechenden Hebel liegen vor allem im Kulturland (landwirtschaftliche Nutzfläche) sowie an der Schnittstelle zum Wald, in diesem selbst und entlang von Gewässern. Neben der Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur spielen lebensraumunabhängige Einflussfaktoren wie beispielsweise der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden, der zunehmende Düngeeintrag (unter anderem im Zusammenhang mit der zunehmenden bodenunabhängigen Produktion) eine grosse Rolle. Soll die Biodiversität gehalten und gefördert werden, sind insbesondere Lenkungs- und Anreizsysteme in der Landwirtschaft zu schaffen. Damit können die Potenziale mobilisiert und Defizite reduziert werden. Regionale Unterschiede sind im Sinne einer landschaftlichen Disparitätsstrategie besonders zu berücksichtigen.

 

Konservierender Schutz

Die Entwicklung einer wirkungsvollen ökologischen Infrastruktur kann nicht auf der Grundlage eines auf Biotop- und Landschaftsschutz fokussierten Verständnisses angegangen werden. Beinahe alle Elemente der ökologischen Infrastruktur im Kulturland (ausser Prozessschutz) sind aus der einen oder anderen Form der kulturlandschaftlichen Nutzung entstanden und erfordern entsprechende Pflege, Bewirtschaftung und Entwicklung. Die erfolgreiche Entwicklung und Pflege einer ökologischen Infrastruktur unterliegt stark dem jeweiligen regionalen Verständnis von Natur- und Kulturlandschaft sowie regionalen Gepflogenheiten. Die Akzeptanz zur Partizipation an der Entwicklung der ökologischen Infrastruktur ist davon abhängig, mittels sinnvollen Massnahmen einen partnerschaftlichen Vollzug aufzubauen. Dies erfordert gegenseitiges Verständnis und Vertrauen, benötigt ein kontinuierliches Engagement und kann nicht mittels Schutz verfügt werden. Die Ausscheidung von Schutzgebieten ist punktuell richtig und sinnvoll, im Grundsatz jedoch bereits durch Kanton und Bund mehrheitlich vollzogen. Die Ausscheidung zusätzlicher Schutzgebiete, insbesondere um internationalen Verpflichtungen zu genügen ist bei der Umsetzung zu berücksichtigen.

 

Grundsatz der Veränderung

Einer der grossen Wirkungshebel in Bezug auf die ökologische Infrastruktur liegt im Kulturland (also in der landwirtschaftlichen Nutzfläche). Der Vernetzungsgedanke im Zusammenhang mit der ökologischen Infrastruktur darf nicht dazu führen, dass ein technokratisch-abstraktes Verständnis von Ökologie, Vernetzung und Landschaft der ökologischen Funktionsweise zu Grunde gelegt wird, sondern dass ein integraler, gesamtheitlicher und sektorübergreifender Landschaftsansatz der Bewirtschaftung und permanenten Veränderung gelebt wird. Landschaft ist nie fertig entwickelt, sondern verändert sich kontinuierlich mit dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Geist der Zeit sowie deren Werte. Landschaft und damit die ökologische Infrastruktur sind also das Abbild eines aktuellen gesellschaftlichen Zustands, der durch innere und äussere Reize gestärkt, verändert und entwickelt werden kann.

 

Instrumente

Es sind verstärkt Ansätze anzustreben, denen ein Entwicklungs- und Fördergedanke zu Grunde liegt und weniger ein absoluter Schutz. Innovationen in der Bewirtschaftung – sektorübergreifende Programme in Ergänzung zum ökologischen Ausgleich und zu den ökologischen Vernetzungsprojekten – sind anzustreben. Ökologische Infrastruktur ist zudem – jedoch nicht im Sinne eines Versuchs zur Monetarisierung – aus einer wirtschaftlichen Perspektive zu betrachten. Die Sensibilität der Märkte in Bezug auf gesunde Produkte bietet die Chance, ökologische Infrastruktur verstärkt im Zusammenhang mit einer chemiearmen und naturnahen Produktion als Produktionsfaktor zu betrachten.

 

Nationale Strategie – regionale Prägung

Die naturräumlichen, kulturellen, instrumentellen und politischen Voraussetzungen – wie dies bereits bei den Pärken ersichtlich ist – sind schweizweit dermassen unterschiedlich, dass eine erfolgreiche Umsetzung der ökologischen Infrastruktur zwar auf einer starken und verständlichen nationalen Strategie aufbauen muss, schlussendlich jedoch auf Stufe einer Region getragen und gelebt werden muss. Zudem ist genügend Handlungsspielraum für unterschiedliche räumliche Ansätze zu sichern.